Präventiver Restrukturierungsrahmen in Deutschland spätestens ab 2022.

    Schon wieder eine neue Sanierungskultur?

    Am 28. März 2019 hat das EU-Parlament die Richtlinie zum künftigen "Präventiven Restrukturierungsrahmen" beschlossen.

    Die Europäische Kommission hatte bereits am 22. November 2016 einen Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über präventive Restrukturierungsrahmen, die zweite Chance und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie2012/30/EU vorgelegt. Ende 2018 hatten sich sodann Rat, Kommission und Parlament auf ein Kompromiss und eine gemeinsame Fassung der Richtlinie verständigt. Am 28. März 2019 wurde die Richtlinie im EU Parlament in erster Lesung angenommen. Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Trilog-Verhandlungen darf die Zustimmung im Ministerrat als sicher gelten

    Die Mitgliedstaaten haben zwei Jahre für die Umsetzung der Vorgaben in nationales Recht Zeit. Diese Frist kann in Ausnahmefällen auf Antrag um ein Jahr verlängert werden. Dabei wird den Mitgliedstaaten in vielen Detailfragen erheblichen Spielraum bei der Umsetzung in nationales Recht eingeräumt. In Deutschland wird es also bis spätestens 2022 ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren geben. Der Gesetzgeber scheint bereits an einem Vorschlag für die Umsetzung zu arbeiten, in den auch die Erkenntnisse aus der Evaluation des ESUG einfließen sollen.

    Damit wird erstmals außerhalb des Insolvenzverfahrens ein Rechtsrahmen für Unternehmen „in finanziellen Schwierigkeiten bei drohenden Insolvenz“ zur Verfügung gestellt, „der es ihnen ermöglicht, ihre Schulden oder ihr Unternehmen zu restrukturieren, ihre Rentabilität wiederherzustellen und eine Insolvenz abzuwenden“. Die Sanierungsbeiträge der Gläubiger bestehen in erster Linie in Form des (teilweisen) Verzichts auf Forderungen. Das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren basiert auf der Vertragsfreiheit zwischen dem Schuldner und seinen Gläubigern. Zugleich eröffnet es die Möglichkeit, nicht zustimmende Gläubiger den Inhalten des Restrukturierungsplans zu unterwerfen.

    Das EU-Parlament erhofft sich, dass die Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen in Europa insgesamt erleichtert wird und dadurch Insolvenzen vermieden werden können. Kritiker verwiesen hingegen auf die erweiterten Sanierungsinstrumente in der Insolvenzordnung, die Anfang 2012 durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) bereitgestellt wurden. Diese seien ausreichend.

    Wesentliches Instrument der neuen Regelungen ist der Restrukturierungsplan, über den die Beteiligten nach dem Mehrheitsprinzip abstimmen. Ähnlich wie bei Insolvenzplänen soll die Abstimmung dabei in Gruppen bzw. Klassen erfolgen, wobei bei der Einteilung dieser Gruppen/Klassen den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten Rechnung zu tragen ist.

    Werden dabei Beteiligte überstimmt, ist eine gerichtliche Bestätigung erforderlich. Das Gericht prüft dann die Einhaltung der Verfahrensvorschriften und ob Gläubiger unangemessen benachteiligt werden.

    Um die Verhandlung eines solchen Restrukturierungsplans zu ermöglichen, soll dem Schuldner die Möglichkeit zustehen, ein zeitlich begrenztes Moratorium zu beantragen. Das Moratorium soll sich auf einen Zeitraum von regelmäßig 4 bis maximal 12 Monaten erstrecken. Die Gläubiger können in diesem Zeitraum ihre Forderungen nicht durchsetzen. Weiter ist vorgesehen, dass Gläubiger in Bezug auf offene Forderungen „weder Leistungen aus noch zu erfüllenden Verträgen verweigern noch diese Verträge kündigen, vorzeitig fällig stellen oder in sonstiger Weise zum Nachteil des Schuldners ändern dürfen“. Damit wird es namentliche Lieferanten verwehrt sein, die Lieferungen einzustellen, auf Vorkasse umzustellen oder in sonstigen Weise zum Nachteil des Schuldners von den aktuellen Konditionen abzuweichen.

    Stark umstritten war die verpflichtende Beteiligung eines Restrukturierungsverwalters. Der gefundene Kompromiss sieht ausnahmsweise die Möglichkeit der Einsetzung eines solchen Verwalters vor, so bei der Anordnung der Aussetzung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder Abstimmungen der Gläubiger über den Restrukturierungsplan, bei dem einzelne Gläubigergruppen überstimmt werden. Auch die Mitwirkung einer übergeordneten Behörde oder eines Gerichts soll nur erforderlich sein, wenn über den Rahmen der allgemeinen Verfahrensgrundsätze hinaus in Rechte des Schuldners oder der beteiligten Gläubiger eingegriffen wird.

    Der Richtlinienvorschlag enthält außerdem Regelungen zur Restschuldbefreiung von Unternehmern nach maximal drei Jahren („zweite Chance“) sowie bestimmte Maßnahmen zur Effizienz- und Qualitätssicherung bei Sanierungsverfahren.

    Man darf auf die Umsetzung der Richtlinie gespannt sein. Auffällig ist, dass an keiner Stelle eine objektive Prüfung der Forderungen der Gläubiger vorgesehen ist, zumal hieraus die Stimmrechte der einzelnen Gläubiger abzuleiten sind.

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